Viel Glut, wenig Rauch
«Er ist ein guter Mann», sagt Fetlework und lächelt. Tazeb steht am neuen Herd von Menschen für Menschen und backt Fladenbrot. Das junge Ehepaar weiss: Die Glut, nicht der Rauch macht das beste Feuer. Das gilt beim Backen wie in der Liebe.
Wenn Tazeb Haile, 30, spät Nachmittags vom Feld kommt, wo er Mais anbaut, Hafer und Zwerghirse, hat er ein Bündel dürrer Äste unter dem Arm – Feuerholz für die heimische Küche. Statt sich zu Hause in den Schatten zu setzen, bricht der drahtige Mann noch einmal auf: Mit zwei Kanistern marschiert er zum Dorfbrunnen. Manchmal begegnen ihm andere Bauern. Einige grinsen und sagen: «Na, Tazeb, holst du Wasser, damit sich deine Frau frisch machen kann für dich?»
Tazeb ignoriert den Spott und geht seines Weges. Feuerholz und Wasser auf den Hof zu holen, ist traditionell Frauenarbeit: Ein Mann braucht Selbstbewusstsein, um sich über dieses ungeschriebene Gesetz hinwegzusetzen. Noch mehr schütteln manche Männer die Köpfe darüber, dass Tazeb seiner Frau Fetlework Welelaw, 27, auch beim Brotbacken hilft. «Warum lässt du zu, dass deine Augen brennen?», fragen sie ihn. «Spiel lieber mit uns Karten!»
Eine Kochstelle im ländlichen Äthiopien ist ein mörderischer Arbeitsplatz. Sie besteht aus einem offenen Feuer, darüber ein Topf oder eine Tonpfanne, die auf Steinen balancieren. Aus Mangel an Holz wird das Feuer mit Zweigen, Maisstängeln, sogar Weizenstroh genährt. Der Rauch ist dick. Er brennt in den Augen, reizt Kehle und Lungen, führt zu Atemwegserkrankungen.
«Wie könnte ich ausruhen und meiner Frau beim Kochen und Backen zuschauen, wenn doch auch sie den ganzen Tag auf den Beinen war?», sagt Tazeb. «Ich bin sehr stolz auf Fetlework! Deshalb ist für mich klar, dass wir uns die Hausarbeit teilen.»
Auf Fetleworks Stirn prangt ein Tattoo, wie bei vielen Bäuerinnen Fogeras. Es ist gestochen von jemandem, der das Tätowieren nicht beherrscht: Man ahnt nur, dass das Tattoo eine Sonne darstellen soll. Wenn Fetlework lächelt, strahlt sie selbst warm wie die Sonne. Tazeb sagt: «In unserem Haus gibt es Friede und Liebe. Wir arbeiten beide auf dem Feld und auf dem Hof. Wir helfen einander. Das ist es, was mich stolz macht!»
Aber ist das nicht selbstverständlich für ein Ehepaar? «Nein», sagt Tazeb. «Manchmal spielen die jungen Männer Karten.» Das Spielen sei ein grosses Übel für das Glück vieler Familien. «Wenn ein Mann eine Ziege oder gar einen Ochsen verspielt, wird die Frau böse», erklärt Tazeb. Die Menschen in Fogera gehören der äthiopisch-orthodoxen Kirche an, sie kennen die Sprüche Salomos: «Wer die Nase hart schnäuzt, zwingt Blut heraus. Und wer den Zorn reizt, ruft Hader hervor.» Keine Wirkung ohne Ursache, kein Unfriede ohne Grund, wie auch Tazeb weiss: «Ich war auch einer von denen, die spielten» bekennt er. «Ich war süchtig.»
Das Paar hat früh geheiratet, wie die meisten jungen Leute im Dorf Anguko im Distrikt Fogera im Nordwesten Äthiopiens. Tazeb war 21, Fetlework 18. Wenn er im Kartenspiel verloren hatte, kam er voller Wut nach Hause. Er schimpfte mit seiner jungen Frau, nichts konnte sie recht machen. «Geh zurück ins Haus deiner Eltern!», brüllte er. Sein Grimm füllte das Heim wie der ätzende Qualm eines Kochfeuers, er drohte die Liebe zu ersticken.
Aber Fetlework blieb. «Er ist ein guter Mann», erklärt sie. «Ich wollte ihn nicht verlieren.» Am nächsten Tag, wenn sein Zorn verraucht war, habe sie ihn gefragt: «Warum behandelst du mich so?» Irgendwann habe er seine Lektion verstanden, berichtet Tazeb: «Ich schämte mich. Meine Wut kam aus der Scham.» Eines Tages habe er sich nicht mehr zu den Spielern gesetzt.
Nun steht Tazeb mit Fetlework an ihrem neuen Herd, gemeinsam backen sie säuerlich schmeckende Fladen, riesig wie Wagenräder: Injerra aus fermentierter Zwerghirse, das tägliche Brot Äthiopiens. «Jetzt ist das Kochen und Backen erträglich, es gibt nur noch wenig Rauch», sagt Fetlework, «und die Glut ist besser und hält länger.»
Tazeb und Fetlework gehören zu den ersten Familien in Fogera, die von den traditionellen Feuerstellen auf einen einfachen Herd von Menschen für Menschen umgestiegen sind. Der Herd wird in Einzelteilen aus Sand, Wasser und Zement gegossen. Auf den Rücken von Eseln können sie auch in die entferntesten Höfe gelangen. Die Bauernfamilien lernen, sie zusammenzusetzen und mit Lehm zu verputzen. Eine kleine Innovation mit grosser Wirkung: Die Herde sparen Holz, die Feuer darin entwickeln nur wenig Rauch – damit schonen sie die Gesundheit der Menschen und die natürlichen Ressourcen in erstaunlichem Ausmass.
«Für mich war auch die Sicherheit meiner beiden Kinder ein wichtiger Grund für den Herd», sagt Tazeb. Nicht selten sieht man Kleinkinder in Äthiopien mit Brandwunden – weil sie, noch unsicher auf ihren Beinchen, in die Glut von offenen Feuerstellen fallen.
Das Paar sei aufgeschlossen gegenüber Neuem, betont Tazeb: «Das liegt daran, dass wir beide gebildet sind. Fetlework war vier Jahre in der Schule. Ich habe sogar die zehnte Klasse abgeschlossen.» Bis zum Start des Projekts von Menschen für Menschen bekamen die Frauen in Fogera im Durchschnitt fünf Kinder. Traditionell gelten viele Kinder als die einzig mögliche Altersversicherung. Doch Tazeb und Fetlework sind sich einig, wie wichtig Familienplanung ist. «Wir wollen Kinder nur in Fünf-Jahres-Intervallen bekommen, um sicher zu sein, sie gut ernähren und aufziehen zu können», sagt Fetlework. Vor gut einem Jahr bekam Tochter Hagere, 7, das Brüderchen Alemayehu. Jetzt geht Fetlework wieder alle drei Monate auf die Gesundheitsstation und lässt sich dort eine Verhütungsspritze geben. In den Schulungen von Menschen für Menschen in Fogera propagieren unsere einheimischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur holzsparende Herde. Sie referieren auch über die Vorteile von Familienplanung und der Gleichstellung der Geschlechter als Voraussetzung für Entwicklung. Offenbar mit Erfolg, dank Paaren, die sich leicht überzeugen lassen, dass manche Traditionen schädlich sind, und mit ihrem Beispiel vorangehen.
«Es ist noch nicht allgemein verbreitet, dass Männer im Haushalt so viel helfen wie ich», sagt Tazeb. «Aber ich begegne mittlerweile auch anderen jungen Männern, die Brennmaterial und Wasserkanister nach Hause tragen.»
Erfahren Sie mehr darüber, wie unsere holzsparenden Herde den Menschen in Fogera helfen: