Die ersten 40-Tonnen-Lastwagen mit Maismehl und Speiseöl sind in Borena eingetroffen: Unsere Nothilfe-Aktion für die Hirten ganz im Süden Äthiopiens hat erfolgreich begonnen. Nicht zu früh: Gerade die kleinsten Kinder leiden schwer unter Mangel und Hunger.
Die Vegetation ist verdorrt, die Erde nackt. Böen wirbeln den roten Staub auf, zerren an den runden Behausungen, die die Menschen aus Zweigen, Lumpen und Plastikplanen zusammengebunden haben. Die bunten Gewänder der Frauen sind die einzigen Farbtupfer in düsterer Lebenslage: Die meisten von ihnen sind schon fünf Monate hier im Bekata Camp im Distrikt Dubuluk in der Region Borena ganz im Süden Äthiopiens. Viele Männer sind noch in den Weiten der Savanne unterwegs, auf der Suche nach Gras und Wasser für die letzten überlebenden Tiere.
Die Borena-Hirten hat die schlimmste Dürre seit vierzig Jahren am Horn von Afrika schwer getroffen: Die Ziegen, Kühe und Kamele der Familien sind verhungert und verdurstet. Die Menschen haben bislang überlebt, weil sie das Wenige, das sie noch haben, teilen, wie es die Tradition der Nomadenvölker will.
Viele Frauen sammelten Äste in der Savanne, um sie an den Strassen für ein wenig Geld zu verkaufen – Brennholz für die Kochfeuer ist überall in Äthiopien Mangelware. Andere suchten Einkommen als Tagelöhnerinnen, aber durch die grosse Konkurrenz durch andere Klimaflüchtlinge sind die Jobs rar und die Tagelöhne sanken um die Hälfte von 100 Birr auf 50 Birr (90 Rappen).
Nun sind die Familien am Ende ihrer Kräfte, wie ein Besuch in den Hütten zeigt. In einer der Behausungen wohnt Tenu Boru, 25, mit ihren zwei Kindern. «Wir hatten 35 Rinder. Alle starben: Es gab keinen Regen, also kein Gras», sagt sie. «Jetzt fürchten wir um unser eigenes Leben.»
Tuheme, ihre zweijährige Tochter, weint. Die Mutter gibt ihr die Brust, aber das beruhigt das kleine Mädchen nicht. Es stakst in eine Ecke der Hütte, holt dort einen Topf und trägt ihn zu der Mutter. Tenu nimmt dem Kind den Topf aus der Hand. Der Topf ist leer. Das Kind schaut darauf und beginnt erneut zu weinen. «Sie ist hungrig, sie will etwas essen», sagt Tenu.
Zum Glück trifft heute endlich die erste Nothilfe von Menschen für Menschen ein. Mais für die Hirten von Borena konnte auf einer Grossfarm im Nordwesten Äthiopiens in der Nähe des Tanasees aufgekauft werden – insgesamt bringt Menschen für Menschen rund 200 Tonnen ins Katastrophengebiet im Süden. Die Trucks brauchten vier Tage, um über die schlaglochübersäten Pisten rund 900 Kilometer weit bis in den Süden von Äthiopien zu den notleidenden Hirten zu gelangen.
Am ersten Verteilort im Bekata Camp warten schon rund 300 Menschen, vor allem Frauen, dicht gedrängt unter Akazien. In Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden und der Hirten-Gemeinschaft sind vorab Listen der Bedürftigen erstellt worden. Insgesamt bekommen 4539 Menschen 15 Kilogramm Maismehl und einen halben Liter Speiseöl. Daneben werden Waschseifen und Zeltblachen verteilt. Die Empfänger, meist Frauen, quittieren den Erhalt mit einem Fingerabdruck. Gerade die älteren Empfängerinnen drücken ihre Dankbarkeit überschwänglich aus.
«Leider sind die Camps seit unserem ersten Erkundungsbesuch weitergewachsen», bedauert Getachew Zewdu, Landesrepräsentant von Menschen für Menschen, der die Verteilung vor Ort überwachte. «Es kamen noch mehr Klimaflüchtlinge an.» Zunächst sind neben dieser ersten Verteilung bis Ende September zwei weitere geplant. «Dann sollte die Regenzeit einsetzen und sich die Situation langsam entspannen – hoffentlich.»