Zürich/Addis Abeba, 26. September 2023 – Heute gibt der abtretende Bundesrat Alain Berset die neuen Krankenkassenprämien bekannt. Deren Höhe entscheidet darüber, wie viel Geld Familien in der Schweiz für andere Ausgaben bleibt. Es wird eine massive Erhöhung befürchtet. Für viele Familien in Ostafrika haben die Gesundheitskosten eine noch viel grössere Dimension. Dort beträgt die Prämie einer Basis-Krankenversicherung zwar nur 10 Franken – pro Jahr. Doch viele Familien sind nicht versichert, weil sie sich selbst diesen Betrag nicht leisten können. Deshalb stehen sie oft vor der Entscheidung: «Essen oder Medizin?»
Die durchschnittliche Krankenkassenprämie in der Schweiz beträgt in diesem Jahr monatlich noch 334,70 Franken. Eine Familie mit zwei Kindern zahlt im Jahr deutlich mehr als 10´000 Franken für die Gesundheitsvorsorge. Die Einwohner geben laut Schweizer Ärztezeitung im Schnitt sieben Prozent ihres Bruttoeinkommens beziehungsweise neun Prozent des verfügbaren Einkommens für die Krankenkasse aus. Aber dafür haben die Bürger in der Schweiz die Gewissheit, von einem der besten Gesundheitssysteme der Welt zu profitieren. Bei einer Krankheit können sie auf schnelle Behandlung zählen.
Vielen Menschen in Ostafrika bleibt diese versagt. Zwar gibt es inzwischen auch in Äthiopien mit der «Community Based Health Insurance» eine einfache Krankenversicherung, bei der besonders arme Menschen und ihre Angehörigen Mitglieder werden können. Beim Aufbau der freiwilligen Krankenversicherungen auf Bezirksebene helfen internationale Organisationen wie die WHO oder die Weltbank. Die Beiträge für die Betroffenen liegen nur bei rund zehn Franken pro Jahr. Trotzdem fällt es ihnen schwer, die Beiträge aufzubringen, weil sie das gesamte Einkommen für die Miete ihrer Slum-Behausungen und für Essen ausgeben müssen.
Behandlung mit Weihwasser
Viele Familien sind nicht versichert. Wenn sie krank werden, können sie sich eine medizinische Behandlung nicht leisten. Dann bleibt nur der Glaube an traditionelle Heiler. Und der Gang in die Kirche: Das Trinken von Weihwasser ist für viele Kranke in Äthiopien die einzige verfügbare Behandlung.
Im Viertel Arada in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba identifiziert Menschen für Menschen solche besonders arme Familien. Für 300 Eltern und ihre Kinder übernimmt das Schweizer Hilfswerk die Prämien für die Basis-Krankenversicherung.
Eine von ihnen ist die HIV-positive Etayehu Adamu, 38. Die antiretrovirale Therapie gegen HIV ist dank internationaler Geber für die meist sehr armen Betroffenen in Äthiopien zwar kostenfrei. Doch die Mutter eines Mädchens und dreier Buben leidet unter opportunistischen Krankheiten: Ihr geschwächtes Immunsystem kann vielen Erregern nicht genug Widerstand leisten.
«Ich röste Hirse für hausgebrautes Bier», erzählt Etayehu Adamu. Dafür bekommt sie umgerechnet fünf Schweizer Franken – pro Woche. «Den Lohn musste ich früher oft für Medizin ausgeben, denn ich hatte keine Krankenversicherung.» Häufig konnte sie aber vor Schwäche nicht arbeiten. «Also konnte ich mir auch keine Medizin leisten.» Ihr Mann sei keine grosse Hilfe. Er sammelt Plastikflaschen, die nach Gewicht verkauft werden. Für fünf Kilogramm, das Ergebnis von einer Woche Arbeit, gibt es umgerechnet 6,60 Franken.
Endlich krankenversichert!
«Zum Glück habe ich dank der Hilfe von Menschen für Menschen jetzt die Versicherung.» Sie habe Leber- und Nierenprobleme, die Schmerzen seien oft sehr stark. «Aber ich bekomme nun Tabletten und kann deshalb arbeiten. Der Arzt sagt zwar, dass ich keine schwere Arbeit machen soll, aber habe ich eine Wahl? Meine Kinder sind alle unter 18 Jahren alt und müssen versorgt werden.» Auch ihr neunjähriger Sohn Amsalu profitiere von der Versicherung: «Der Arzt sagt, er hat Typhus», berichtet Etayehu Adamu. «Ich bin so froh, dass er Medikamente bekommt. Ich wüsste nicht, was ich ohne Versicherung tun würde.» Ohne sie müsste sie das Geld für die dringliche Behandlung bei Nachbarn leihen. «Aber wie sollte ich es je zurückzahlen?»
Viele Initiativen für Gesundheit
Die Zahlung der Prämien für besonders arme Familien ist eine von vielen Anstrengungen von Menschen für Menschen für die öffentliche Gesundheit. In der Stadt Debre Berhan beispielsweise produziert die Schweizer Stiftung einfache Radioprogramme und Spots, die von einem populären Sender gebracht werden. In den Beiträgen geht es vor allem um Gesundheitsvorsorge, etwa um Hygiene in Armenvierteln, in denen es keine Kanalisation gibt.
Die Stiftung sorgt auch dafür, dass nicht mehr über offenen Feuern gekocht wird. Der Rauch der Feuer, die aus Brennholzmangel mit Kuhdung, trockenen Blättern und Maistängeln unterhalten werden, ist gefährlich. Viele Äthiopierinnen leiden an Atemwegserkrankungen. Deshalb sorgt Menschen für Menschen dafür, dass die Bauernfamilien im Distrikt Fogera Bausätze erhalten: Die Betonelemente lassen sich zu raucharmen Herden zusammenfügen. 3000 Familien in Fogera kochten und backten bereits im vergangenen Jahr auf den Herden von Menschen für Menschen. In diesem Jahr werden weitere 4000 Familien die Herde erhalten.
Keine Aktivität der Äthiopienhilfe rettet aber so unmittelbar Leben wie die Zahlung der Prämien für die Krankenversicherung. Alemayehu Tadesse, 68, war Wächter, bis er einen Schlaganfall erlitt. Ausserdem leidet er an hohem Blutdruck. «Wie wichtig die Pillen für mich sind, habe ich schon erlebt. Einmal habe ich vergessen, sie zu nehmen. Ich fühlte mich schwach und schwindlig», sagt Alemayehu Tadesse. «Sicher ist deshalb für mich: Ohne die Krankenversicherung wäre ich nicht mehr auf dieser Welt.»
Über die Stiftung Menschen für Menschen
Menschen für Menschen setzt sich gegen Armut und Hunger ein. Die Stiftung wurde von dem Schauspieler Karlheinz Böhm (1928 – 2014) gegründet. Im Geiste des Gründers schafft das Schweizer Hilfswerk Lebensperspektiven für die ärmsten Familien in Äthiopien. Ziel der Arbeit ist es, dass sie in ihrer Heimat menschenwürdig leben können. Schwerpunkte der einzelnen Projekte sind Frauenförderung, Berufsbildung, Mikrokredite, Kinderhilfe, Familienplanung und landwirtschaftliche Entwicklung. Die Komponenten werden nach den lokalen Bedürfnissen kombiniert und mit sorgfältig ausgewählten einheimischen Partnern umgesetzt.
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