Flüsse als Rinnsale, Wälder im Trockenstress, Hitzetage: Auch in der Schweiz sind die Menschen im Sommer 2022 mit dem Klimawandel konfrontiert. Doch Gefahr für das eigene Leben bedeutet die Trockenheit kaum. Anders am Horn von Afrika: Dort ist die Existenz von Millionen Menschen vernichtet. In Borena im Süden Äthiopiens leiden die Hirtenfamilien, deren Vieh verendet ist, bereits an Hunger. Menschen für Menschen bringt Nothilfe zu rund 4500 Menschen. Wir sprachen mit einigen der Empfängerinnen.
«Ich will nicht mehr als Hirtin leben»
Loko Kiya, 30, hat drei Kinder. Die beiden Mädchen Adi und Debo sind acht und sechs Jahre alt. Ihr Bub Harkano ist zwei Jahre alt. Sie lebt mit ihnen und ihrem Ehemann im Bekata Camp für Klimaflüchtlinge am Rande der Stadt Dubuluk.
Die Hirtenfamilien sammelten sich in Camps am Rande von Siedlungen - wie hier am Rande der Landstadt Dubuluk.
Loko Kiya und ihre Familie sind Empfänger von Soforthilfe für die von der Dürre betroffenen Menschen.
«Wir hatten 38 Rinder. Alle sind verendet. In früheren Dürren magerte das Vieh ab, aber es überlebte. Noch nie war es so schlimm. Seit zwei Jahren hat es nicht geregnet! Wenn ich geahnt hätte, dass es so schlimm wird, hätten wir unser Vieh schnell verkauft!
Unser einziges Einkommen war der Viehverkauf. Wir kamen vor fünf Monaten in dieses Camp. Ich dachte, wenn wir am Rand der Stadt sind, kann ich als Wasserträgerin oder Wäscherin arbeiten. Doch meist sammle ich Brennholz in der Savanne und verkaufe es an der Hauptstrasse – zu dem Preis, den die Käufer mir bieten: Ich brauche das Geld so dringend.
Früher hatten wir sogar Möbel in unserem kleinen Haus. Wir hatten immer genug Milch. Wir assen drei- oder sogar vier Mal am Tag. Jetzt können wir uns nur eine Mahlzeit pro Tag leisten. Wir essen den Mais oder die Bohnen aber nicht mit Milch oder Butter gekocht, sondern nur mit Wasser.
Ich bin so dankbar für die Hilfe von Menschen für Menschen. Jetzt wird es keine Abende mehr geben, an denen die Kinder vor Hunger nicht einschlafen können.
Ich will nicht mehr als Hirtin leben. Ich hoffe, dass mein Mann und ich hier in der Stadt irgendeine Arbeit finden. Ich habe Angst, dass meine Kinder bei der nächsten Dürre sterben.»
«Mein Mann hat die Dürre nicht verkraftet»
Galmo Hulfae Alemo, 28, ist die Mutter des zweijährigen Mädchens Bati und des siebenjährigen Buben Gelgalo. Sie ist vor der Dürre ins Dorf Horbate geflohen. Aufgrund der Krankheit ihres Mannes muss sie sich allein durchkämpfen.
Jede Person erhält 15 Kilogramm Maismehl, 0,5 Liter Speiseöl, daneben werden Waschseifen, Wasserkanister und Zeltblachen ausgegeben.
Galmo und ihre Kinder Bati und Gelgalo sind Empfänger von Soforthilfe für von der Dürre betroffene Menschen.
«Ich bin im Dawa Tal aufgewachsen, 25 Kilometer von hier. Dort habe ich mit meinem Mann auch gelebt, bis die Dürre begann. Wir sind seit neun Jahren verheiratet. Wir hatten sieben Rinder und auch ein Feld, ein Hektar gross. Fünf Tiere sind verendet, zwei konnten wir noch verkaufen und mit dem Erlös Nahrungsmittel kaufen.
Leider ist mein Mann psychisch krank geworden. Er geht ziellos durch die Strassen, spricht laut vor sich hin. Er ist auch aggressiv. Einmal hat er mich mit dem Messer an der Hand verletzt.
Wir haben so viele Sorgen und Verzweiflung erlebt. Die Dürre war für meinen Mann sehr schwierig zu verkraften. Er ist jetzt bei seinen Eltern, sie haben ihn ins Krankenhaus gebracht. Aber es wurde nicht besser.
Jetzt bin ich von meinem Bruder abhängig und davon, was er mir geben kann. Oft war es in den vergangenen Monaten so, dass ich drei Tage etwas zu essen hatte und zwei Tage nichts. Zum Glück habe ich jetzt Nothilfe empfangen.
Ich will nicht zurück in unser Dorf. Was nützt es, das Land zu bestellen, wenn die Dürre alles zunichte macht? Ich wünsche mir, dass ich hier in Horbate eine Arbeit finde, mein eigenes Leben führen und meine Kinder in Frieden aufziehen kann.»
«Wir waren unabhängig. Jetzt haben wir nichts mehr»
Deku Wako Duba, 27, hat einen Sohn. Libon ist zwei Jahre alt. Sie lebt im Dorf Horbate. Während der Dürre versuchte ihr Mann ihre Herde durch den Zug der Rinder ins Dorf Teltele zu retten – vergeblich. Die kleine Familie kehrte nach Horbate zurück.
Deku Wako Duba with her son Libon are recipients of emergency aid for peole affected by drought.
«Das Leben vor der Dürre und jetzt ist wie Tag und Nacht. Wir waren unabhängig, haben uns selbst versorgt. Wir waren frei. Jetzt haben wir nichts mehr. Wir hatten rund 100 Rinder! Ich half meinem Mann bei der Herde. Innerhalb des vergangenen Jahres haben wir alle verloren – bis auf drei Stück. Sie sind jetzt bei meinem Schwager. Ich hoffe die Tiere überleben.
Der Verlust hat uns in grosse Verzweiflung und Depression gestürzt, weil wir keine andere Möglichkeit für ein Einkommen haben. Hinzu kommt, dass ich krank bin. Ich leide an Blutarmut, mir wird deshalb häufig schwindlig und ich bin ständig müde. Mein kleiner Sohn hatte Malaria und er leidet an Giardias (eine durch Parasiten verursachten Durchfallerkrankung). Unser Leben war so schlimm in den vergangenen Jahren!
Mein Mann versucht jetzt Khat zu verkaufen (die Blätter des Khatstrauchs werden in Ostafrika als leichtes Rauschmittel gekaut). Ich versuche an der Hauptstrasse Cola zu verkaufen. Aber es ist kein gutes Geschäft. Wir hatten nichts zum Essen im Haus – bis wir die Nothilfe bekamen.»
Die Stiftung Menschen für Menschen führt noch zwei weitere Nothilfe-Verteilungen durch. Helfen Sie jetzt – wir sind dringend auf Spenden angewiesen!