«Europa braucht Äthiopien»
Zürich, 11. Oktober 2019. «Wir freuen uns mit den Menschen in Äthiopien über den Friedensnobelpreis für Abiy Ahmed», sagt Kelsang Kone, Geschäftsführer von Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe Menschen für Menschen. «Der Preis ist eine Ermutigung für die Demokratisierung und Gleichberechtigung am Horn von Afrika.» Jetzt gehe es darum, den Kurs von Abiy weiter zu unterstützen: «Europa braucht Äthiopien als Stabilitätsanker in Ostafrika.»
Abiy hat seit seiner Ernennung im April 2018 nicht nur einen beginnenden Friedensprozess mit Eritrea erreicht, nachdem die Nachbarn sich jahrzehntelang in teils blutigen Konflikten bekämpft hatten. Abiys Reformen für mehr Demokratie wirken vor allem auch nach innen. Tausende politische Gefangene wurden in Äthiopien seit seinem Amtsantritt aus der Haft entlassen. In dem Land herrscht nun Pressefreiheit. «Vor allem setzte Abiy auch Signale für die Gleichstellung der Frauen», betont MfM-Geschäftsführer Kelsang Kone. Der Regierungschef besetzte die Hälfte seines Kabinetts mit Ministerinnen. Frauen bekleiden nun auch Schlüsselressorts wie Handel und Industrie oder Polizei und Geheimdienste. «Die Menschen haben sich nach einem Hoffnungsträger wie Abiy gesehnt», sagt Kelsang Kone. «Nach Jahrzehnten der Stagnation spürt man die Aufbruchstimmung im Land.»
Aber Abiy hat auch Feinde. Im Vielvölkerstaat Äthiopien verlaufen die Konfliktlinien zwischen verschiedenen Ethnien. Es gab Attentatsversuche gegen Abiy und Putschversuche von Militärs gegen seine Regierung. Bei Unruhen in verschiedenen Landesteilen kamen Dutzende Menschen ums Leben. Abiy reagiert, indem er den Geist des «Medemer» beschwört, das amharische Wort bedeutet «Miteinander». «Wir glauben nicht daran, dass es möglich ist, Wirtschaftswachstum zum Wohl aller Äthiopier zu schaffen und ausländisches Kapital anzuziehen ohne den Rahmen der Demokratie», sagte Abiy als gefeierter Gast beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos.
«Die letztliche Ursache der ethnischen Spannungen in Äthiopien ist die Armut der Menschen», erklärt Kelsang Kone. «es ist ein Streit um die zu knappen Ressourcen.» Zwar wächst die äthiopische Wirtschaft jährlich um erstaunliche acht bis zehn Prozent, doch von einem sehr niedrigen Niveau aus. «Mit unseren Projekten zur Frauen- und Wirtschaftsförderung wollen wir weiter zu Demokratisierungs- und Entwicklungsprozess in Äthiopien beitragen», betont Kelsang Kone. Beispielsweise erhalten besonders arme Mütter Mikrokredite, um sich mit einem Kleingewerbe selbständig machen. Andere können sich zur Köchin ausbilden: «So bleibt ihnen die oft illegale Migration in arabische Länder erspart, wo sie häufig ausgebeutet und missbraucht werden.» Es gehe nun darum, die Lebensperspektiven der Menschen in Äthiopien weiter zu fördern. «Denn Europa braucht Äthiopien als stabiles Land am Horn von Afrika.» Die Nachbarländer sind geprägt von Unsicherheit und Krieg. Äthiopien hat bereits rund 700’000 Flüchtlinge aus Eritrea, Somalia und vor allem aus dem Südsudan aufgenommen.
Über die Stiftung Menschen für Menschen
Menschen für Menschen setzt sich gegen Armut und Hunger ein. Die Stiftung wurde von dem Schauspieler Karlheinz Böhm (1928 – 2014) gegründet. Im Geiste des Gründers schafft das Schweizer Hilfswerk Lebensperspektiven für die ärmsten Familien in Äthiopien. Ziel der Arbeit ist es, dass sie in ihrer Heimat menschenwürdig leben können. Schwerpunkte der einzelnen Projekte sind Frauenförderung, Berufsbildung, Mikrokredite, Kinderhilfe, Familienplanung und landwirtschaftliche Entwicklung. Die Komponenten werden nach den lokalen Bedürfnissen kombiniert und mit sorgfältig ausgewählten einheimischen Partnern umgesetzt.