Dritte Phase im Kinderprojekt in Debre Berhan
Guter Hoffnung: Kinder aus den Slums gehen in die Schule
Die Erfolge der vergangenen Jahre sind ermutigend: Menschen für Menschen setzt seine Arbeit für die ärmsten Kinder in der äthiopischen Grossstadt Debre Berhan fort. Zwar brachten die Beschränkungen in der Corona-Pandemie Hemmnisse und Rückschläge. Trotzdem können nach der jetzt abgeschlossenen dreijährigen Projektphase dank der ganzheitlichen Hilfe rund drei Viertel der unterstützten Kinder aus der Förderung entlassen werden. Für eine weitere Projektrunde identifizieren die Mitarbeiter jetzt neue besonders bedürftige Familien. Die Zahl der geförderten Kinder wird von 1000 auf 1200 erweitert.
Die Projekte des Schweizer Hilfswerks sind meist auf drei Jahre angelegt. So auch in der Grossstadt Debre Berhan: Dort erhielten in einer ersten Projektrunde zwischen 2016 und 2018 und einer zweiten Phase von 2019 bis 2021 je 1000 Kinder aus den ärmsten Familien umfassende und ganzheitliche Hilfen. Einige Schlaglichter:
- Die Wohnsituation in den Slums ist häufig nicht menschenwürdig. Wir erstellten 117 einfache Sozialwohnungen. 244 Kinder haben dort ein Daheim gefunden. (Video zum Thema ansehen)
- Die Eltern armer Kinder wollen Arztbesuche vermeiden, weil sie die Kosten für Medikamente fürchten. Stattdessen hoffen sie vergeblich auf die Hilfe traditioneller Heiler. Armutskrankheiten wie Krätze machen ohne die richtige Behandlung das Leben der Betroffenen zur Hölle. Durch unser Projekt erhielten 1125 Kinder medizinische Behandlungen.
- Weil viele Eltern nicht schreiben können, haben sie Angst vor der staatlichen Bürokratie. Für viele Kinder gibt es deshalb keine Geburtsurkunden. Wir halfen den Familien, dieses Dokument zu beantragen und zu erhalten. Allein mit dieser Massnahme ermöglichten wir 660 Kindern den Zugang zu Schulbildung und sozialen Diensten.
- Die Eltern armer Kinder haben sogar Mühe, billiges Papier und Stifte zu kaufen. Wir ermöglichten den Kindern den Schulbesuch über das Bereitstellen von Schulmaterial und -uniformen.
- Durch Armut und Überforderung kommen Eltern ihren Erziehungsaufgaben nicht immer nach. 1200 Kinder erhielten „Schulungen in Lebenskompetenzen“. Die Kinder lernten, ihr Verhalten zu reflektieren, ihre Kommunikationsfähigkeit zu verbessern, letztlich Selbstwert und Selbstvertrauen zu stärken. (Video zum Thema ansehen)
- Die entscheidende Aktivität, um die Familien langfristig unabhängig zu machen, sind berufliche Schulungen und Mikrokredite für die Eltern. Wir initiierten 43 Selbsthilfegruppen (SHG) mit durchschnittlich 18 Mitgliedern, fast immer Frauen. Die meisten geförderten Familien bestehen aus alleinerziehenden Müttern und ihren Kindern. Die SHGs mit ihren 775 Mitgliedern wurden mit Startkapital versorgt: Mit Mikrokrediten starteten viele der Frauen erfolgreich Kleingeschäfte. (Video zum Thema ansehen)
Diese Erfolge sind umso erstaunlicher, da die Entwicklung der Menschen in den Jahren 2020 und 2021 durch Corona ausgebremst wurde: Viele der Kleinstgewerbe litten unter langen Lockdowns und der Inflation. Einige Familien vermochten zeitweise nicht einmal mehr ausreichend Lebensmittel zu kaufen. Deshalb organisierte Menschen für Menschen vier Nothilfe-Verteilungen mit Überlebenspaketen für je rund 100 besonders betroffene Familien.
Die Entwicklung der einzelnen Familien wurde über Hausbesuche von den Sozialarbeiterinnen im Projekt regelmässig überprüft. Als Ergebnis sollen jetzt rund drei Viertel der unterstützten Kinder aus der Förderung entlassen werden – weil ihre Familien nun nicht mehr zu den ärmsten der Stadt gehören und sich selbst versorgen können. Etwa 250 Kinder sollen noch ein bis maximal zwei Jahre weiterbetreut werden, bevor ihre Familien ebenfalls unabhängig sind.
Derzeit, im Februar 2022, identifizieren die Projektmitarbeiter in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden neue bedürftige Familien für eine Projekterweiterung. Die Zahl der unterstützten Kinder und Jugendlichen wird in unserem Projekt «Gute Hoffnung: Gemeindebasiertes Kinderprojekt» von 1000 auf 1200 Mädchen und Jungen erhöht werden. Die erfolgreichen Komponenten werden weitergeführt. Kleine Anpassungen sollen die Effizienz weiter erhöhen.
Neu ist die berufliche Förderung von Heranwachsenden. Die Jugendarbeitslosigkeit ist eines der grössten Probleme in Äthiopien. Jährlich strömen rund 3 Millionen junge Leute neu auf den Arbeitsmarkt. Doch leistungsfähige Handwerksbetriebe und mittelständische Unternehmen fehlen. Auch mangelt es an Industrien zur Veredelung der landwirtschaftlichen Produktion. So wird der Kaffee meist roh exportiert, auch in die Schweiz, wo mit der Röstung die eigentliche Wertschöpfung erzielt wird. Die wenigsten jungen Leute finden eine feste Anstellung im öffentlichen Sektor als Lehrer oder Beamte. Die meisten Schulabgänger bleiben im informellen Sektor, oft als schlecht bezahlte Tagelöhner auf den zahlreichen Baustellen.
Eine unmittelbare Möglichkeit für die Heranwachsenden aus den armen Familien Debre Berhans liegt im Aufbau kleiner Gewerbe. 120 junge Leute sollen im Rahmen unseres Projekts berufsbildende Kurse erhalten, Startkapital und Beratung bei der Umsetzung ihrer Geschäftsideen. Vorstellbar sind etwa Metallarbeiten für die wachsende Stadt wie das Schweissen von Tür- und Fensterrahmen oder das Herstellen von Lehmziegeln. Findige Bastler könnten Wartungs- und Reparaturwerkstätten für Mobiltelefone und andere Elektronik eröffnen. Es herrscht auf den städtischen Märkten ein hoher Bedarf an Eiern und Milch. Deshalb sind Hühnerfarmen (zum Video «Die Eierfrau Wude») und Milchkuhhaltung vielversprechend.
Daneben soll besonderes Augenmerk auf die Förderung und Ermächtigung (Empowerment) von Mädchen gelegt werden, auch mit Schulungen zur Gleichstellung der Geschlechter (Video zum Thema ansehen). Manchmal braucht es nur kleine Hilfen, die grossen Effekt haben: Bislang litt der Schulbesuch und -erfolg häufig unter der Monatsblutung der Mädchen: Binden sind kaum erschwinglich für die armen Familien. Mädchen blieben während ihrer Regel zu Hause, manche brachen in diesen Zwangspausen die Schule ganz ab. Nun will das Projekt an den Schulen verstärkt Monatsbinden verteilen, um den Schulbesuch und -erfolg der Schülerinnen zu sichern.
Der amharischen Projektname für die neue dreijährige Phase lautet «Biruh Tesfa» – zu Deutsch: «Gute Hoffnung.»
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