Berufsbildung für Mütter: Frauenpower!
Früher waren sie Armutsprostituierte, Wäscherinnen oder Hausmädchen bei Reichen in Arabien. Nun feierten die Mütter voller Freude den Abschluss ihrer Ausbildung. Dank Menschen für Menschen sind sie nun frischgebackene Hauswirtschafterinnen. «Euer neugewonnenes Selbstbewusstsein bringt Äthiopien voran!» sagte Geschäftsführerin Josefine Kamm zu den stolzen Absolventinnen.
Das Festzelt ist mit frisch geschnittenem Gras ausgelegt und mit Luftballons geschmückt. Die Frauen haben sich herausgeputzt, viele tragen falschen Schmuck aus Blech, doch ihre Freude und ihr Stolz sind echt: Sie tanzen, klatschen, trillern vor Freude. Sechs Monate nahmen die Frauen an einer Ausbildung von Menschen für Menschen in Hauswirtschaftteil. Das Diplom, das sie nun erhalten, ist eine Art Lebensversicherung für die meist alleinerziehenden Mütter aus den Slums der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.
Nun bekommen die Frauen aus den Slums Lebensperspektiven – und mit ihnen ihre Kinder.
Dort zerrt die tägliche Not und Perspektivlosigkeit an den Familien. Viele Beziehungen scheitern. Wenn die Männer aus Not und Ohnmacht fliehen und die Familien im Stich lassen, sind die Mütter auf sich allein gestellt. Doch ohne Ausbildung bleiben ihnen nur Gelegenheitsarbeiten zu Hungerlöhnen. Viele schlagen sich als Wäscherinnen durch, manche auch als Armutsprostituierte, so wie früher Jamila Bedu, 44. Nachdem ihr Ehemann sie und die drei Kinder verlassen hatte, sah sie keine andere Möglichkeit: «Ich betäubte mich mit Alkohol und Khat, um die Arbeit und das Leben zu ertragen.»
Andere Mütter reisten legal oder mit Hilfe von Schleppern als Gastarbeiterinnen in arabische Länder, um ihre Kinder zu ernähren, die bei Verwandten in Äthiopien zurückblieben. «Viele von uns waren nach Saudi-Arabien gegangen, doch sie verloren mehr, als sie gewannen, sogar ihren Stolz», sagt Absolventin Megdes Fesseha in ihrer Rede an die Festversammlung. «Sie kamen zurück, waren ohne Hoffnung, wie wir alle. Erst durch unsere Ausbildung haben wir unsere Zuversicht zurückgewonnen. Künftig können wir selbstbestimmt für uns selbst sorgen. Und keine Mutter muss mehr ihre Familie verlassen.» Auch Absolventin Bedria Muhaba, 34, schuftete vier Jahre lang in Riad als Hausmädchen. Ihr Arbeitgeber schickte ihren Verdienst nach Äthiopien auf das Konto eines Bekannten, dem sie vertraute. Als sie nach Äthiopien zurückkehrte, behauptete der Bekannte, das Geld sei gar nie angekommen. Damit wurde die Frau nicht nur Opfer eines Betrügers, sondern vor allem auch ihrer Armut: Als mittellose Frau hatte sie bei keiner Bank ein eigenes Konto bekommen. «Vier Jahre meines Lebens habe ich verloren», sagt Bedria. «Aus meiner Ohnmacht und Wut hat mich erst die Ausbildung zur Hauswirtschafterin wieder herausgeführt. Ich werde mir eigenständig etwas aufbauen!»
132 Frauen feierten mit MfM-Geschäftsführerin Josefine Kamm den Abschluss ihrer Ausbildung als Köchinnen und Hauswirtschafterinnen. 60 Prozent haben bereits vor dem Abschluss eine Arbeitsstelle gefunden. 25 Prozent wollen sich selbständig machen. 2501 Frauen insgesamt haben bislang die Ausbildung durchlaufen und damit die Möglichkeit auf eine selbstbestimmte Zukunft erhalten.
Auf dem Ausbildungsplan steht die äthiopische und internationale Küche.
Die Absolventinnen sind gefragte Fachkräfte in Hotels, Kantinen und Privathaushalten. 60 Prozent von ihnen haben bereits eine Anstellung gefunden. Ein Viertel der Frauen wollen sich lieber selbstständig machen, beispielsweise Teigtaschen backen oder Gewürzmischungen herstellen und verkaufen. Alle aber eint, dass sie ihren kleinen Kindern künftig aus eigener Kraft ein menschenwürdiges Leben bieten können.
Die Stiftung Menschen für Menschen führt die Ausbildung zusammen mit Agohelma durch. Diese einheimische Organisation wurde von Abebech Gobena gegründet. Die hochbetagte Frau wird in ihrer Heimat als «Mutter Teresa Äthiopiens» bezeichnet, weil sie umfangreiche Hilfsprojekte für Waisen und besonders arme Familien ins Leben gerufen hat. Aus ihrer Freundschaft mit Menschen für Menschen-Gründer Karlheinz Böhm entwickelte sich schon vor Jahrzehnten eine enge Zusammenarbeit. «Ihr seid nicht nur meine Kinder, sondern auch Kinder des Landes », sagt Abebech Gobena bei der Abschlussfeier. «Macht etwas aus eurer Ausbildung, für euch und für Äthiopien.»
«Zusammen mit Karlheinz Böhm traf ich Abebech Gobena zum ersten Mal im Jahre 2001», berichtet Josefine Kamm, die Geschäftsführerin der Schweizer Stiftung, den Absolventinnen. «Es beeindruckte ihn sehr, was Abebech Gobena als einzelne Frau leisten konnte. Und er sagte immer wieder, dass alle Entwicklung über Bildung führt.» Die Absolventinnen seien dafür ein gutes Bespiel: «Sie alle beweisen mit Ihrem Fleiss und Ihrem neu gewonnenen Selbstbewusstsein, dass die Vision unserer Vorbilder Böhm und Gobena Wirklichkeit werden kann. Ihr verdienter Abschluss war der erste grosse Schritt. Machen Sie mit der gleichen Begeisterung weiter so!»
WARUM WIR HELFEN
Arme Frauen haben in der Millionenstadt Addis Abeba kaum eine Chance. Sie nehmen unfassbares Leid auf sich, um ihre Kinder zu ernähren. Manche prostituieren sich. Andere lassen ihre Kinder bei Verwandten zurück und reisen illegal in die Golfstaaten. Dort leben sie häufig wie Sklavinnen, werden ausgenutzt und missbraucht. Die Frauen brauchen Alternativen, um in ihrer Heimat menschenwürdig leben zu können.
AKTIVITÄTEN:
- In Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden wählen wir besonders arme Frauen aus.
- Sie erhalten eine halbjährige Vollzeit- Ausbildung in Kochhandwerk und Hauswirtschaft.
- Wir betreuen die Absolventinnen über ihr Abschlusszeugnis hinaus, etwa bei der Arbeitssuche oder mit rechtlichem Beistand bei einem Missbrauch
Menschen für Menschen wird das erfolgreiche Programm fortsetzen. Die halbjährige Ausbildung – und damit die Schaffung von Lebensperspektiven für eine Mutter und ihre Kinder – kostet pro Teilnehmerin rund 250 CHF. Herzlichen Dank an alle Spender!
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