Menschen für Menschen trägt zum Aufbruch bei: Ärmste Mütter erhalten Berufsausbildung
Zürich – Addis Abeba, 18.09.2018 – In Äthiopien herrscht Aufbruchstimmung. Der neue Ministerpräsident reformiert das Land in hohem Tempo. Doch eine langfristige Entwicklung kann nur gelingen, wenn ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum entsteht, von dem auch die ärmsten Äthiopier profitieren. Die jungen Leute brauchen Ausbildungen und Jobs, um den Fortschritt selbst vorantreiben zu können. Deshalb bietet Menschen für Menschen den ärmsten Frauen eine entsprechende Chance. In der Hauptstadt Addis Abeba bildet die Schweizer Stiftung sie zu Hauswirtschafterinnen aus. Bislang reisten die Frauen auf der Suche nach Arbeit häufig nach Arabien – mussten dort jedoch wie Sklaven leben.
Sie haben keine Lobby, sind gefangen hinter den Mauern privater Villen und Wohnungen in Arabien: Nach Zahlen des äthiopischen Arbeitsministeriums haben sich fast eine halbe Million äthiopischer Frauen von Agenturen anwerben lassen, um als Hausmädchen in arabischen Ländern zu arbeiten. Hinzu kommen nach Schätzungen der „Internationalen Arbeitsorganisation“ doppelt so viele Äthiopierinnen, die illegal in die Golfstaaten migrierten.
Viele von ihnen werden dort geschlagen, ausgebeutet, missbraucht. Die Äthiopierin Hayat Nuredin war sieben Jahre als Hausmädchen in Dubai, bevor sie in die Heimat zurückkehren konnte: «Wir werden behandelt wie Tiere und sind völlig rechtlos.“ Ihre Arbeitszeit habe 19 Stunden pro Tag betragen. Kontakt zu anderen Menschen sei ihr untersagt gewesen. Immer wieder habe der Sohn des Hausherrn sie sexuell genötigt.
«Die Frauen nehmen die Arbeit aus Verzweiflung und bitterer Not an», erklärt Josefine Kamm, Geschäftsführerin von Menschen für Menschen. «Viele von ihnen sind Mütter kleiner Kinder, die sie zu Hause in Äthiopien bei Verwandten in Hüttensiedlungen zurücklassen mussten. Die Mütter wählen die Sklavenarbeit in der Fremde, damit ihre Kinder überleben können.»
Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe Menschen für Menschen bietet den Frauen mit einem Intensivlehrgang zuhause in Äthiopien eine Alternative. In sechs Monaten bildet die Stiftung die Frauen zu Hauswirtschafterinnen und Köchinnen aus. «Dank der Ausbildung sind die Absolventinnen in Restaurants und Hotels gefragte Fachleute und können sich und ihre Kinder aus eigener Kraft aus der Armut befreien.»
Gewöhnlich finden rund 60 Prozent der Frauen bereits vor ihrem Abschluss eine Arbeitsstelle. Etwa ein Viertel will sich mit den neu erworbenen Kenntnissen selbständig machen, beispielsweise in den Slums einen kleinen Imbiss eröffnen. Bislang haben rund 2500 Frauen die Berufsausbildung durchlaufen (mehr dazu im neuen Nagaya Magazin 3.18).
Josefine Kamm kam mit den Auszubildenden auf einer Monitoring-Reise zusammen. Dabei erlebte sie die Aufbruchstimmung im Land, hervorgerufen durch den neuen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed: «Die Geschwindigkeit, mit der er das Land umkrempelt, ist atemberaubend.» Seit seinem Amtsantritt im April sind Tausende politische Gefangene freigelassen worden. Nach jahrzehntelangem Konflikt gab es einen Friedensschluss mit Eritrea. «Die Menschen haben sich nach einem Hoffnungsträger wie Abiy Ahmed gesehnt», berichtet Josefine Kamm. «Die Hoffnung setzt grosse Kräfte frei. Unsere Auszubildenden schauen mit neu gewonnenem Selbstbewusstsein und Zuversicht in die Zukunft.» Jetzt gehe es darum, die Armen und Äthiopien auf dem Weg in eine offene Zukunft weiter zu begleiten: «Menschen für Menschen setzt das erfolgreiche Programm fort. Die halbjährige Ausbildung kostet pro Teilnehmerin rund 240 CHF – nicht viel, wenn man bedenkt, dass dadurch eine Mutter mit ihren Kindern dem Elend entfliehen und künftig in Menschenwürde leben kann.»
Neu aufgebaut werden soll eine Ombudsstelle. „Wir wollen die Absolventinnen über ihre Ausbildung hinaus begleiten, etwa bei Benachteiligungen und Missbräuchen an ihren Arbeitsplätzen rechtlichen Beistand bieten und ihnen bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle oder weiterführenden Ausbildung helfen“, erklärt Josefine Kamm. „Denn wir müssen sicherstellen, dass unsere Hilfe langfristig wirkt.“
Über die Stiftung Menschen für Menschen
Menschen für Menschen setzt sich gegen Armut und Hunger ein. Die Stiftung wurde von dem Schauspieler Karlheinz Böhm (1928 – 2014) gegründet. Im Geiste des Gründers schafft das Schweizer Hilfswerk Lebensperspektiven für die ärmsten Familien in Äthiopien. Ziel der Arbeit ist es, dass sie in ihrer Heimat menschenwürdig leben können. Schwerpunkte der einzelnen Projekte sind Frauenförderung, Berufsbildung, Mikrokredite, Kinderhilfe, Familienplanung und landwirtschaftliche Entwicklung. Die Komponenten werden nach den lokalen Bedürfnissen kombiniert und mit sorgfältig ausgewählten einheimischen Partnern umgesetzt.