Gesundheit ist das höchste Gut
In Äthiopien können besonders arme Familien Mitglied einer Basis-Krankenversicherung werden. Die Beiträge dafür belaufen sich auf lediglich zehn Franken pro Jahr. Doch viele Menschen können selbst diese Summe nicht aufbringen.
Leider erinnern wir uns daran oft erst, wenn wir krank werden: «Es ist die Gesundheit, die der wahre Reichtum ist, nicht Gold- oder Silberstücke», sagte Mahatma Gandhi. Immerhin können wir uns in der Schweiz behandeln lassen. Vielen Menschen in Äthiopien bleibt diese Hoffnung versagt. Zwar gibt es inzwischen auch dort eine einfache öffentliche Krankenversicherung, bei der besonders arme und ältere Menschen und ihre Angehörigen Mitglieder werden können. Die Beiträge pro Familie liegen lediglich bei zehn Franken pro Jahr. Aber weil viele Familien so arm sind, dass sie praktisch das gesamte Einkommen für Essen ausgeben müssen, sind viele dennoch nicht versichert. Menschen für Menschen finanziert für 300 Familien in den Armenvierteln von Addis Abeba die Basis-Krankenversicherung. Was das für sie bedeutet, erzählen hier einige Betroffene.
«Ich kann wieder arbeiten»
Etayehu Adamu, 38 Jahre, Mutter von drei Buben und einem Mädchen, ist HIV-positiv. Die antiretrovirale Therapie ist dank internationaler Geber für die meist sehr armen Betroffenen in Äthiopien kostenfrei. Doch Etayehu leidet unter opportunistischen Krankheiten: Ihr geschwächtes Immunsystem kann vielen Erregern nicht genug Widerstand leisten.
Ich röste Hirse, als Rohstoff für Tella, selbstgebrautes Bier. Das verdiente Geld, 300 Birr pro Woche (umgerechnet fünf Schweizer Franken), musste ich früher oft für Medizin ausgeben, denn ich hatte ja keine Krankenversicherung. Häufig konnte ich aber vor Schwäche nicht arbeiten – also konnte ich mir auch keine Medizin leisten. Mein Mann ist keine grosse Hilfe. Er sammelt Plastikflaschen, die nach Gewicht verkauft werden. Für fünf Kilogramm, das Ergebnis von sieben Tagen Arbeit, gibt es 400 Birr (6,60 Franken). Für sieben Tage!
Natürlich wäre es immer vernünftig gewesen, den Betrag für die Krankenversicherung einzuzahlen. Aber es gibt eine Registrierung im September. Wer diesen Termin verpasst, ist für ein Jahr nicht versichert. Das ist mir früher passiert, weil wir überhaupt kein Geld im Haus hatten. Dann betete ich, dass ich nicht krank werde. Aber ich wurde immer wieder krank.
Zum Glück habe ich dank der Hilfe von Menschen für Menschen jetzt die Versicherung. Ich habe Leber- und Nierenprobleme. Die Schmerzen sind oft sehr stark. Aber ich bekomme nun Tabletten und kann deshalb arbeiten. Der Arzt sagt zwar, dass ich keine schwere Arbeit machen soll, aber habe ich eine Wahl? Meine Kinder sind alle unter 18 Jahren alt und müssen versorgt werden.
Auch mein neunjähriger Sohn Amsalu profitiert von der Versicherung. Der Arzt sagt, er hat Typhus. Ich bin so froh, dass er Medikamente bekommt. Ich wüsste nicht, was ich ohne Versicherung tun würde. Ohne sie müsste ich das Geld für die Behandlung bei Nachbarn leihen. Aber wie sollte ich es je zurückzahlen?
«Ohne die Versicherung wäre ich nicht mehr auf dieser Welt»
Alemayehu Tadesse, 68, war Wächter, bis er einen Schlaganfall erlitt. Ausserdem leidet er an hohem Blutdruck.
Vor drei Jahren hatte ich einen Schlaganfall. Zunächst war ich auf der linken Körperseite ganz gelähmt. Gott sei Dank hatte ich die Versicherung: Ich bin zwei Monate lang im Spital gewesen.
Dort sagte man mir, dass ich hohen Blutdruck hätte – was zu dem Schlaganfall geführt habe. Jetzt muss ich ständig vier verschiedene Tabletten nehmen. Ausserdem habe ich ein Augenleiden. Sie tränen und brennen. Ich erhalte regelmässig eine Augensalbe.
Meine Tabletten haben verschiedene Farben. Blau, rot, weiss. Mit den Nachbarn mache ich darüber Witze und sage: «Hoffentlich wächst mir kein Strauss mit bunten Blumen aus dem Mund, wenn ich so viele farbige Pillen nehme!»
Aber wie wichtig die Pillen für mich sind, habe ich schon erlebt. Einmal habe ich vergessen, sie zu nehmen. Ich fühlte mich schwach und schwindlig, konnte weder gehen noch stehen. Sicher ist deshalb für mich: Ohne die Krankenversicherung wäre ich nicht mehr auf dieser Welt.
«Eine ganze Tüte voll Medikamente»
Zenebetch Zada, 60, hat viele Beschwerden. Sie leidet an Asthma und Bluthochdruck. Sie überlebt dank der aufopfernden Hilfe ihrer Tochter Buzayu Gerassu, 30 – und der Krankenversicherung.
Ich hatte sechs Kinder. Vier sind gestorben. Jetzt habe ich noch zwei Töchter, die älteste und die jüngste.
Leider ist auch meine Tochter gestorben, die drei Kinder hatte. Sie sind sechs, acht und neun Jahre alt. Mein ebenfalls gestorbener Sohn hatte einen Buben. Er ist jetzt 17. Die Kinder leben jetzt bei mir und Buzayu. So heisst meine Jüngste. Sie hilft mir. Sie hat sogar darauf verzichtet, eine eigene Familie zu gründen, um für mich und die Kinder da zu sein.
Eine Rente bekomme ich nicht. Ich war nie in einer Schule, war nie angestellt. Buzayu arbeitet als Putzfrau und nebenher als Schülerlotsin an einer Schule, die an einer viel befahrenen Strasse liegt. Von ihrem Geld leben wir.
Das geht nur, weil Buzayu kein Geld für meine Medikamente ausgeben muss. Ich bekomme jede Menge dank der Krankenversicherung, eine ganze Tüte voll! Ich weiss gar nicht, für was die alle sind, ich nehme sie, wie man mir es in der Gesundheitsklinik gesagt hat.
Ich habe Asthma seit Jahrzehnten. Meine Augen schmerzen und einmal war ich vier Tage bewusstlos. Das hängt mit hohem Blutdruck zusammen, meinte der Doktor. Aber seit ich die Medikamente nehme, geht es besser.
Ich bin froh, dass ich noch hier bin. Und Bizuye und die Kinder sagen, sie seien auch froh, dass ich noch lebe.
Das Projekt in Addis Abeba
Menschen für Menschen finanziert für 300 Familien in den Armenvierteln der Hauptstadt die Basis-Krankenversicherung. Ausserdem unterstützt die Menschen in Addis Abeba mit folgenden Massnahmen:
- Unterhalt des Abebech Gobena-Kinderheims: Waisen finden ein liebevolles Zuhause
- Verbesserung der Schulqualität: Schulen in Armenvierteln erhalten Materialien für eine bessere Lehr- und Lernsituation.
- Ernährungsprogramm: Unterernährte Kinder unter drei Jahren werden mit Nahrung versorgt. Ihre Mütter erhalten Unterricht, wie sie ihre Kinder auch mit wenig Geld möglichst ausgewogen ernähren können.
- Gratis-Mittagessen: Besonders arme Schulkinder erhalten jeden Tag eine freie Mahlzeit.