Menschen auf der Landstrasse in Raphe

Hintergrund zu Raphe

Ausgangslage

Raphe ist mit 162 Quadratkilometern etwa so gross wie der Kanton Appenzell Innerrhoden, hat aber sechs Mal so viele Einwohner. Rund 98’000 Einwohner leben in dem Bezirk im Süden Äthiopiens ohne sichere Existenzgrundlage und mit minimaler Infrastruktur.

Der Grossteil der Bevölkerung ist auf unsichere Wasserquellen wie Flüsse und Tümpel angewiesen – oft voller Krankheitserreger. Besonders Kinder leiden unter Durchfallerkrankungen, die ihre Gesundheit und Entwicklung gefährden.

Die Menschen in Raphe sind fast ausschliesslich Kleinbauern, die auf winzigen Feldern versuchen, ihre Familien zu ernähren. 96 Prozent der Haushalte besitzen Land, doch es ist viel zu wenig: 36 Prozent haben weniger als 0,25 Hektar, also weniger als ein Drittel eines Fussballfelds, zur Verfügung. Fast drei Viertel der Familien besitzen weniger als 0,5 Hektar Ackerfläche.

Es gibt keine Banken oder offizielle Finanzdienstleister. Wer Geld für verbessertes Saatgut, Düngemittel oder Geräte braucht, ist auf private Kreditgeber angewiesen – zu Wucherzinsen. Die Bauern haben deshalb keine Möglichkeit, ihre Produktion zu steigern. Das bedeutet: Die Ernten reichen nicht aus.

Neun von zehn Familien haben nicht das ganze Jahr über genug zu essen. Sie reduzieren ihre Portionen und lassen Mahlzeiten ausfallen. Eine von Menschen für Menschen in Auftrag gegebene Baseline-Studie wies nach, dass gerade die Monate Mai bis September kritisch sind. In dieser Zeit kämpfen die meisten Familien mit Nahrungsmangel. 12 Prozent der Haushalte hungern sogar neun bis zwölf Monate im Jahr. Mehr als zwei Drittel der Familien gab in der Baseline-Befragung an, in der Woche zuvor mindestens einmal ohne Abendessen zu Bett gegangen zu sein. In fast 44 Prozent der Familien verzichteten Eltern mindestens einen Tag lang ganz auf Nahrung, damit die Kinder mehr erhielten.

Wie in vielen ländlichen Regionen Äthiopiens bleibt oft nur die Flucht: Vor allem Väter wandern ab, um in anderen Gegenden Arbeit zu finden. Wer bleibt, ernährt sich vor allem von Ensete (falsche Banane), einer stärkehaltigen Staude. Doch eine einseitige Ernährung aus dem daraus gewonnenen Kotcho-Brot und ein wenig Getreide deckt den Nährstoffbedarf nicht – besonders die Entwicklung der Kinder leidet. Um die Not zu stoppen, braucht Raphe deshalb dringend Verbesserungen in Landwirtschaft, Wasserzugang und Ernährungssicherung.

Claudio Capaul in der Menschenmenge

Unsere Hilfe zur Selbstentwicklung

Eine bessere Zukunft für Raphe

Unser Ziel ist es, die Lebensbedingungen von rund 3600 Familien nachhaltig zu verbessern. «Eine ganzheitliche Strategie stellt sicher, dass die Menschen in Raphe nicht nur kurzfristige Hilfe erhalten», sagt Co-Geschäftsführer Claudio Capaul (Bildmitte). «Wir wollen erreichen, dass sie sich langfristig eine menschenwürdige Zukunft aufbauen können.»

1. Landwirtschaft verbessern

Das Projekt stellt hochwertiges Saatgut bereit, schult Landwirte in besseren Anbaumethoden und unterstützt sie dabei, ihre Felder effizienter zu bewirtschaften. Ziel ist es, die Produktivität zu steigern, um Ernährungssicherheit zu schaffen.

2. Viehhaltung und Imkerei fördern

Wer nur für den Eigenbedarf anbaut, kann kein Geld verdienen. Um Familien neue Einkommensmöglichkeiten zu bieten, fördert das Projekt die Haltung von Rindern, Ziegen und Schafen. Zudem werden Bienenstöcke für die Honigproduktion bereitgestellt.

3. Genossenschaften fördern

In Raphe haben die Menschen keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen. Die Menschen sollen sich in Spar- und Kreditkooperativen (SACCOs) organisieren. Das Angebot richtet sich besonders an Frauen, um ihr wirtschaftliches Potential zu wecken.

4. Umwelt schützen

Die intensive Nutzung der Böden führt zu Erosion und sinkenden Erträgen. Über 90'000 Baumsetzlinge werden gepflanzt, um den Boden zu stabilisieren. 1'020 Menschen werden in nachhaltiger Landwirtschaft und Klimaanpassung geschult.

5. Sauberes Wasser bereitstellen

Das Projekt repariert Brunnen, baut 15 neue Quellfassungen und schult Wasserkomitees. So erhalten 4.500 Menschen dauerhaft Zugang zu sauberem Wasser.

6. Familienplanung ermöglichen

Eine hohe Geburtenrate verschärft die Armutsspirale. Frauen haben oft keine Möglichkeit, selbst über die Anzahl ihrer Kinder zu entscheiden. Das Projekt informiert über Familienplanung und stellt Verhütungsmittel bereit.

7. Eintreten für soziale Gerechtigkeit

Viele Frauen leiden unter traditionellen Rollenbildern und haben kaum wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit. Das Projekt setzt auf Aufklärungskampagnen und Schulungen zur Stärkung von Frauen und Menschen mit Beeinträchtigungen.