Zürich/Addis Abeba/Wukro, 15.04.2021 – In Äthiopiens Nordregion Tigray tobt ein Guerilla-krieg. In der ländlichen Umgebung der Stadt Wukro in Tigray sind 3000 Familien auf Lebensmittel angewiesen. Das Schweizer Hilfswerk Menschen für Menschen versucht Nahrung zu den Kriegsopfern zu bringen – verzögert durch die immer noch herrschenden Kämpfe.
Anfang April räumte Äthiopiens Premierminister Abiy ein, dass die Anfang November beginnenden Kämpfe in Tigray nicht beendet sind. Die äthiopische Armee führe in der Nordregion einen „schwierigen und ermüdenden“ Guerilla-Krieg gegen die Kämpfer der Regionalmacht TPLF.
Die meisten Gesundheitseinrichtungen sind zerstört. In den Dörfern gibt es seit Monaten keinen Strom. Soldaten haben Getreide und Vieh geplündert. Die Bauern konnten die Felder nicht bestellen. Ihre Vorräte sind aufgebraucht.
«Wie immer im Krieg ist das Leid der Zivilisten am grössten. Und die ersten Opfer von Hunger sind die kleinsten Kinder», sagt Kelsang Kone, Geschäftsführer von Menschen für Menschen. In vielen Gebieten Tigrays sind laut einer UN-Untersuchung über ein Drittel der Kinder unter fünf Jahren sichtbar unterernährt.
In den Dörfern bei der Kleinstadt Wukro sind 3000 Familien dringend auf Nahrungsmittel angewiesen. Das wirtschaftliche, soziale und administrative Leben ist weiter gestört. Die Tagelöhner finden keine Arbeit. Die armen Familien haben keine Ersparnisse, sie leben immer von der Hand in den Mund. Zwar gibt es auf den städtischen Märkten Waren zu erwerben. Aber die Familien haben kein Geld mehr, sich Nahrungsmittel zu kaufen. Sie müssen ihr Essen rationieren. «Gerade die kleinsten Kinder brauchen jetzt Hilfe, um keine Entwicklungsschäden zu erleiden», sagt Kelsang Kone. «Deshalb bringen wir Lastwagen mit Nothilfe zu den bedürftigen Familien.»
Menschen für Menschen arbeitet mit der lokalen NGO Elshadai zusammen, die in Wukro ein Kinderdorf für Waisen unterhält. Die Partnerorganisation ist durch den langjährigen Betrieb des Kinderdorfs gut vernetzt. Viele der 82 Mitarbeiter sind Einheimische. Deshalb kennt Elshadai die Lage der Familien genau. Die Partnerorganisation kauft die Nothilfe in Mekele ein, der 45 Kilometer entfernten Hauptstadt Tigrays. Nach einer ersten Versorgung mit Mehl Ende März sollen die Familien nun vor allem Speiseöl und möglichst auch Hülsenfrüchte erhalten. Doch momentan stockt die Hilfe. Aufgrund kürzlicher Kämpfe unweit von Wukro fürchten die lokalen Spediteure die Fahrten über Land in die Stadt.
«Wir müssen einige Tage warten, bis den Spediteuren die Lage sicher genug ist», bedauert Kelsang Kone. Insgesamt sollen rund 240 Tonnen Lebensmittel nach Wukro gelangen. Dort organisieren und dokumentieren Mitarbeiter des Kinderdorfs die Verteilung der Nahrungsmittel an die Familien. Jede Familie erhält Weizenmehl (50 kg), Bohnen (25 kg), Speiseöl (5 l) und Hygienebedarf. Pro Familie werden 68 Franken aufgewendet. Ein unabhängiger, von Menschen für Menschen beauftragter Kontrolleur beaufsichtigt die Verteilung.
Über die Stiftung Menschen für Menschen
Menschen für Menschen setzt sich gegen Armut und Hunger ein. Die Stiftung wurde von dem Schauspieler Karlheinz Böhm (1928 – 2014) gegründet. Im Geiste des Gründers schafft das Schweizer Hilfswerk Lebensperspektiven für die ärmsten Familien in Äthiopien. Ziel der Arbeit ist es, dass sie in ihrer Heimat menschenwürdig leben können. Schwerpunkte der einzelnen Projekte sind Frauenförderung, Berufsbildung, Mikrokredite, Kinderhilfe, Familienplanung und landwirtschaftliche Entwicklung. Die Komponenten werden nach den lokalen Bedürfnissen kombiniert und mit sorgfältig ausgewählten einheimischen Partnern umgesetzt.