Altes Land, junges Land
Allein die schiere Grösse lässt staunen: Die Fläche der Schweiz würde 27mal in das Staatsgebiet Äthiopiens passen. Die Landschaft ist atemberaubend. Das Hochland von Äthiopien, das „Dach Afrikas“, wird von spektakulären Canyons durchschnitten. Die Steilheit und Weite des Landes macht den Bau von Strassen aufwändig. Zu manchen Städten führen nur Schotterpisten, zu vielen Dörfern oft nur Fuss- und Eselpfade. Der Abgelegenheit des Landes ist geschuldet, dass hier Dutzende Ethnien über Jahrhunderte nebeneinander lebten: In Äthiopien gibt es 80 verschiedene Sprachen!
Die Wirtschaft wächst rasant, teils mit Raten von acht bis zehn Prozent im Jahr. Doch nur, wenn man das Ausgangsniveau kennt, versteht man, warum das Land weiter zu den ärmsten der Welt gehört: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt weniger als 1000 Dollar – und damit lediglich rund ein Prozent des Werts in der Schweiz.
Warum hinkt Afrikas Wirtschaft immer noch derart hinterher? Entscheidend ist die Bildung. In der Schweiz investiert der Staat in jede Schülerin und in jeden Schüler pro Jahr 22.700 Franken, so das Statistische Bundesamt. In Äthiopien liegt die Vergleichszahl laut der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID bei rund 68 Franken – also lediglich bei 0,3 Prozent der in der Schweiz eingesetzten Mittel.
So gerät die kommende Generation in Afrika ins Hintertreffen, eigentlich der Kontinent der Zukunft angesichts seiner sehr jungen Bevölkerung. In Äthiopien sind vier von zehn Einwohnern Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre. Fast zwei Drittel der Bevölkerung ist unter 24 Jahre alt – in der Schweiz liegt der Anteil dieser Altersgruppe bei lediglich einem Viertel. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, den jungen Leuten Äthiopiens zu Lebensperspektiven zu verhelfen.
Land und Leute
Zahlen und Fakten
Wiege der Menschheit, Herkunftsland des Kaffees, reiche Kultur und viele arme Familien: 116 Millionen Einwohner hat Äthiopien, es ist damit nach Nigeria der bevölkerungsreichste Staat Afrikas. Die Wirtschaft wächst, die Kindersterblichkeit sinkt, die Lebenserwartung der Menschen steigt. Doch weiter leben viele Äthiopierinnen und Äthiopier unter menschenunwürdigen Umständen. Zudem haben die Umweltzerstörung, das rasante Bevölkerungswachstum, die zunehmende Verstädterung, die Globalisierung, der Klimawandel und der technische Fortschritt dazu geführt, dass sich die Lebensbedingungen rasant verändern, oft genug auch verschlechtern. Viele Menschen fliehen aus Not vom Land in die Stadt – und finden dort neues Elend.