Im Kinderheim von Menschen für Menschen in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba spielen junge Talente Fussball. Wer ist ihr Vorbild?
Was macht einen guten Stürmer und eine gute Stürmerin aus? Die naheliegendste Antwort wäre: «Er oder sie muss Tore schiessen.» Doch Berkume, 15, sagt etwas anderes: «Eine gute Angreiferin passt den Ball genau in dem richtigen Moment zur Mitspielerin, in dem diese in der Lage ist, das Tor zu machen.»
Berkume Biya scheint eine Teamspielerin zu sein. Vielleicht liegt das an dem Ort, an dem sie aufwächst, zusammen mit dem 16-jährigen Haileyesus Gobena: «Ich habe das Gefühl, dass ich viele Brüder und Schwestern habe», sagt Haileyesus.
Die beiden Teenager leben im Kinderheim von Menschen für Menschen in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. Die Betreuerinnen, von den Kindern und Jugendlichen «Mothers» genannt, versuchen, einen Familienersatz zu schaffen. 35 Mädchen und Jungen, die nicht bei den eigenen Eltern aufwachsen können, sind im Heim. Manche sind als Säuglinge an Kirchen abgelegt worden. Bei anderen haben sich die Väter aus der Verantwortung gestohlen und sind irgendwo in dem riesigen Land, 27-Mal so gross wie die Schweiz, abgetaucht. Manchmal sind die Mütter psychisch krank, andere sind an Aids oder Tuberkulose oder an einer anderen Armutskrankheit gestorben: Wer arm ist, stirbt oft zu früh.
Im Abebech-Gobena-Kinderheim, benannt nach der Gründerin der Einrichtung, finanziert von Menschen für Menschen, finden die Kinder ein Zuhause. Im Nordwesten von Addis Abeba, in einem der ärmsten Gebiete der Stadt, in der sich die Menschen in den Gassen der Slums drängen, ist das Heim eine Insel der Sicherheit. Es gibt Blumenbeete, einen Gemüsegarten und einen Hof, auf dem die Kinder Basketball und Fussball spielen, mit einem richtigen Ball aus Leder - nicht mit selbstfabrizierten Knäueln aus Lumpen und Plastiktüten, wie die Kinder in den Gassen.
Auf dem holprigen Pflaster des Heimgeländes entdeckten Berkume und Haileyesus ihr Talent. Bald spielten sie in den Teams ihrer Schule. Die Lehrer wählten sie aus, bei Turnieren dabei zu sein. Dort seien die Scouts der Vereine zugegen, die nach den grössten Nachwuchstalenten suchen. Berkume und Haileyesus wollen beide professionelle Spieler werden. Im Sport kann man berühmt werden, das sehen sie im Fernsehen. Vor allem im Laufsport, sind es doch die äthiopischen Athletinnen und Athleten, die die Langstrecken zusammen mit den Kenianern dominieren. Aber auch im Fussball gibt es Vorbilder. «Ich möchte so werden wie Loza Abera», sagt Berkume. Die Stürmerin im Nationalteam ist das Aushängeschild des äthiopischen Frauenfussballs. «Sie ist fantastisch beim Dribbeln und auch beim Pässe spielen», schwärmt Berkume.
Später wolle sie einmal als Torjägerin in Japan spielen. Auch Haileyesus träumt von einer grossen Karriere als Nationalspieler. Aber wenn der Traum nicht in Erfüllung geht? «Dann werde ich Gärtner!», sagt Haileyesus. Er geniesse die Arbeit an den Blumen- und Gemüsebeeten im Heim: «Es ist schön, etwas wachsen zu sehen.» Berkume könnte sich auch vorstellen, in einer Kleiderboutique zu arbeiten. Doch ihr Herz schlägt für Fussball, dann vergesse sie alles andere: «Ich bin einfach glücklich, wenn ich spiele.»