Zürich/Addis Abeba, 29. April 2020 – In Afrika bringt Corona Kleinkinder in Lebensgefahr – selbst wenn das Virus sie verschont. Denn die Krise verschärft Mangel und Hunger in den ärmsten Familien. «Die Kinder brauchen jetzt dringend Nothilfe-Pakete», sagt Dr. Martin Grunder, Projektkoordinator von Menschen für Menschen in Äthiopien.
In den Armenvierteln von Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba sind manche Kinder so schwach, dass ihre Beine sie nicht tragen. «Ihre Ärmchen haben teils einen Umfang von nur neun Zenti-metern – das bedeutet akute Unterernährung», berichtet Projektkoordinator Dr. Martin Grun-der. «Die Corona- Krise verschärft die Lage. Ihre meist alleinerziehenden Mütter haben nun gar kein Einkommen mehr.»
Gewöhnlich schlagen sich die ärmsten Mütter als Wäscherinnen durch. Manche prostituieren sich, um ihre Kinder zu ernähren. Viele betteln vor Kirchen. Doch nun hat die Regierung den Ausnahmezustand ausgerufen und die Kirchen sind geschlossen. Die Menschen schränken ihre Kontakte ein und die Mütter bekommen keine Aufträge mehr zum Wäschewaschen. «Sie sind jetzt ganz auf sich allein gestellt», berichtet Dr. Grunder, der für das Schweizer Hilfswerk Menschen für Menschen vor Ort ist. «Deshalb brauchen sie dringend Nothilfe.»
Monatliches Nothilfe-Paket
Als Sofortmassnahme erhalten in Addis Abeba 157 Mütter von der Schweizer Stiftung Menschen für Menschen ein monatliches Paket mit zehn Kilogramm Weizenmehl, sechs Kilogramm Teigwaren, zwei Liter Speiseöl und Seife. Ausserdem im Paket sind fünf Kilogramm Famix, eine proteinreiche Mais-Soja-Mischung mit Vitaminen und Mineralien speziell für unterernährte Kleinkinder. Zusätzlich werden die Mütter über die Übertragung von Covid-19 geschult und wie sie sich und ihre Kinder davor schützen können.
Die Nothilfe in Äthiopiens Hauptstadt ist eine kurzfristige Erweiterung eines ständig laufenden Ernährungsprogramms von Menschen für Menschen: Gewöhnlich bekommen bedürftige Mütter für ihre Kleinkinder Monatsrationen an eiweissreicher Zusatznahrung. Bei wöchentlichen Gemeinschaftsessen erhalten sie Unterricht in Hygiene. Aufgrund von Covid-19 mussten diese Treffen ausgesetzt werden. Stattdessen organisieren die Helfer nun die Verteilung der Corona-Überlebenspakete für die ganze Familie in den Slums. Daneben bereitet Menschen für Menschen solche Überlebenspakete auch für die Stadt Debre Berhan vor, wo die Schweizer Stiftung eintausend Kinder aus den ärmsten Familien unterstützt.
Laut Statistik war bereits vor der Corona-Krise eines von vier äthiopischen Kindern unterernährt. Das bedeutet: Einjährige wiegen mehr als zwei Kilogramm weniger als normal, Zwei- und Dreijährige mehr als drei Kilogramm zu wenig. Zwölf von hundert Kleinkindern leiden an akuten Atemwegsinfektionen; eines von 18 Kindern in Äthiopien stirbt vor seinem fünften Geburtstag. «Unterernährung schwächt das Immunsystem der Kinder extrem», erklärt Martin Grunder. «Deshalb sind sie gerade jetzt in der Corona-Krise auf Lebensmittel-Pakete angewiesen.»
Dr. Martin Grunder ist in Bern aufgewachsen und lebt seit 36 Jahren in Afrika. Er ist als Projektkoordinator für die Stiftung Menschen für Menschen in Addis Abeba stationiert. Für eine vertiefte Einschätzung der Situation in Äthiopien steht er für Interviews zur Verfügung.
Über die Stiftung Menschen für Menschen
Menschen für Menschen setzt sich gegen Armut und Hunger ein. Die Stiftung wurde von dem Schauspieler Karlheinz Böhm (1928 – 2014) gegründet. Im Geiste des Gründers schafft das Schweizer Hilfswerk Lebensperspektiven für die ärmsten Familien in Äthiopien. Ziel der Arbeit ist es, dass sie in ihrer Heimat menschenwürdig leben können. Schwerpunkte der einzelnen Projekte sind Frauenförderung, Berufsbildung, Mikrokredite, Kinderhilfe, Familienplanung und landwirtschaftliche Entwicklung. Die Komponenten werden nach den lokalen Bedürfnissen kombiniert und mit sorgfältig ausgewählten einheimischen Partnern umgesetzt.