Ausgangslage
Hambela Wamena ist mit 871 Quadratkilometern ungefähr so gross wie der Kanton Schwyz. In dem äthiopischen Bezirk leben die rund 214'000 Einwohner fast ohne Infrastruktur. Lediglich elf Prozent der Familien haben sicheres Trinkwasser. Die grosse Mehrheit muss sich an verschmutzten Wasserläufen versorgen, was gerade die Kinder erkranken lässt. Die Bevölkerung besteht aus Kleinbauern und Tagelöhnern. Industrie hat sich nie angesiedelt. Der Handel ist eingeschränkt, denn es gibt so gut wie keine asphaltierten Strassen. Die Staubpisten verwandeln sich in der langen Regenzeit zwischen April und Oktober an vielen Tage in Rutschbahnen aus Schlamm.
Auch Banken gibt es keine. Die Kleinbauern haben nur die Möglichkeit, bei privaten Verleihern an Geld zu kommen, um Saatgut oder Dünger kaufen zu können – zu Wucherzinsen von 100 Prozent und mehr.
Also bestellen sie ihre winzigen Felder von durchschnittlich lediglich 0,6 Hektar auf ineffiziente Weise und ernten viel weniger, als sie könnten. Die grossen Familien mit durchschnittlich sieben Mitgliedern lassen sich so nicht ernähren. Viele junge Leute wandern deshalb zumindest zeitweise ab, in der Hoffnung, anderswo als Tagelöhner zumindest so viel zu verdienen, um Lebensmittel kaufen zu können. Nur eine von hundert Familien im Bezirk gab in einer Baseline-Studie von Menschen für Menschen an, drei Mahlzeiten am Tag einzunehmen. Aus Armut essen die Menschen gewöhnlich nur zwei Mal. In den Monaten vor der nächsten Ernte reduzieren viele Familien auf eine kleine Mahlzeit pro Tag. 96 Prozent der Einwohner gaben in einer Ausgangsstudie an, dass sie nicht das ganze Jahr über ausreichend zu essen haben. Sie lassen regelmässig Mahlzeiten ausfallen und essen nur kleine Portionen. 29 Prozent derjenigen die nicht das ganze Jahr genügend zu Essen haben, müssen bis zu vier Monate lang derart den Gürtel enger schnallen. 69 Prozent dieser Familien hungern gar fünf bis acht Monate im Jahr und 2 Prozent sogar neun bis zwölf Monate. Meist essen sie Kotscho, ein stärkehaltiges brotähnliches Lebensmittel, das aus der Stärke der Ensete („Falsche Banane“) gewonnen wird. Die einseitige Ernährung hemmt die Kinder in ihrer Entwicklung und gefährdet ihre Gesundheit.
Unsere Hilfe zur Selbstentwicklung
Eine stabile Existenz in der Heimat
Wir wollen das Leben von 3600 Tagelöhner- und Kleinbauern-Familien mit insgesamt 25´000 Mitglieder verbessern. Die bislang hungernde Bevölkerung soll bessere Ernten und Einkommen erzielen, um in ihren Heimatdörfern ein stabiles und menschenwürdiges Leben führen zu können. Dieses Ziel versuchen wir über sechs sich ergänzende Komponenten zu erreichen.
1. Mehr ernten auf knappem Land
96 Prozent der Einwohner in dem Distrikt schränken sich zeitweise ein, reduzieren Anzahl der Mahlzeiten und die Menge der Nahrung: Die Familien hungern, weil ihre Erntevorräte aufgebraucht sind. Unsere Fachleute zeigen den Kleinbauern moderne und angepasste Bewirtschaftungsmethoden und wie sie ihre Ernten vergrössern und diversifizieren können, etwa mit proteinreichen Hülsenfrüchten. Das Saatgut wird als eine Art Darlehen im Rahmen von Kooperativen vergeben. Nach der Ernte zahlen die Bauern die Kosten für die Inputs an die Kooperative zurück.
2. Mehr Vieh für arme Familien
Die Familien haben kaum Möglichkeiten an Bargeld zu kommen, denn ihre Ernten können sie nicht verkaufen, weil sie sonst hungern würden. Die Viehmast bietet hier einen Ausweg. Ebenfalls im Rahmen eines Darlehens, erhalten Bauern Schafe, Ziegen und Ochsen. Nach der Mast können sie die Tiere mit Gewinn verkaufen. So schaffen sie Vermögenswerte. Die Familien können investieren, etwa Dünger und verbessertes Saatgut kaufen.
3. Die Kräfte in Kooperativen bündeln
Wenn sich Bauern in Spargruppen und Genossenschaften zusammentun, kommen sie leichter an landwirtschaftliche Inputs, Marktzugänge und Mikrokredite. Deshalb unterstützen wir sie dabei, sich in Kooperativen zusammenzuschliessen. Damit können die Familien Zwischenhändler umgehen und sich von den Wucherzinsen privater Geldverleiher befreien.
4. Neue Kraft für die natürlichen Ressourcen
Aufgrund der Überbevölkerung wird das Land bis auf den letzten Meter genutzt. Der Boden erodiert und ist erschöpft. Der Klimawandel verstärkt die negative Entwicklung mit erratischen Regenfällen. Wir versorgen die Kleinbauern mit Baumsetzlingen. Wir schulen sie im Schutz des Mutterbodens. Wir zeigen ihnen angepasste Methoden, die im Klimawandel bestehen, etwa Agroforstwirtschaft, wo unter Schattenbäumen Kaffeesträucher und Gemüse gedeihen.
5. Sicheres Wasser, weniger Gesundheitskosten
In unserer Basisstudie gaben zwei Drittel der befragten Familien an, dass Mitglieder an wasserbezogenen Krankheiten leiden. Kinder sind besonders betroffen. Etwa ein Zehntel des Familieneinkommens muss für Medizin gegen diese Krankheiten aufgewendet werden. Die Menschen brauchen sicheres Trinkwasser. Wir sorgen für 16 neue Wasserstellen und reparieren zehn Brunnen. Davon profitieren rund 4000 Menschen.
6. Familien planen!
Eine durchschnittliche Familie hat fünf Kinder – die knappen Äcker können den vielen Menschen keinen Wohlstand sichern. Begleitend zu unseren landwirtschaftlichen Schulungen klären wir über Familienplanung auf. An 13 Schulen entstehen Schülerclubs, die über reproduktive Gesundheit informieren. Wir sensibilisieren Älteste und Priester. Damit die Frauen wissen, welche Verhütungsmittel sie in den staatlichen Gesundheitsstationen verlangen können und nur die Zahl der Kinder bekommen, die sie tatsächlich wollen.