Zürich/Addis Abeba, 23.04.2018 – Mit Kaffee wird in der Schweiz sehr viel Geld umgesetzt. Die Kleinbauern in Äthiopien, die den Kaffee anbauen und ernten, erhalten aufgrund eines ungerechten Marktes nur einen Bruchteil davon. Menschen für Menschen fördert deshalb die Kooperativen der Kaffeebauern. „Wer Gerechtigkeit will, muss dafür sorgen, dass die Kaffeebauern mehr verdienen“, sagt Josefine Kamm, Geschäftsführerin der Schweizer Stiftung, auf Projektbesuch in Äthiopien.
Ein Cappuccino in einem Zürcher Café kostet durchschnittlich 5,90 CHF. Das ist beinahe Weltrekord: Nur in Kopenhagen ist die Tasse laut der Studie „Kaffeepreis-Index“ noch 50 Rappen teurer. In einer Tasse Cappuccino stecken etwa 15 Gramm Kaffee, also können Cafés mit einem Kilogramm Kaffee rund 66 Tassen aufbrühen – und einen Umsatz von knapp 400 CHF machen. Beliebt sind in Schweizer Haushalten auch die Portionskaffeemaschinen. Rechnet man den Inhalt der dabei verwendeten Kaffeekapseln hoch, bezahlt der Verbraucher 70 bis 90 CHF per Kilogramm Kaffee.
Im Kaffee steckt viel Geld – aber nur am Ende der Wertschöpfungskette; die Kleinbauern in den armen Ländern Südamerikas und Afrikas ohne Marktmacht dagegen bekommen nur winzige Bruchteile davon. So erzielen die Kaffeebauern von Gangua im äthiopischen Landkreis Abaya mit dem Verkauf eines Kilogramms Kaffeekirschen einen Umsatz von lediglich umgerechnet drei CHF.
Kaffee ist ein wichtiger Treibstoff unserer Wirtschaft: Wie stark die Produktivität in unseren Büros sinken würde ohne das Muntermacher-Getränk, darüber kann nur spekuliert werden. Sicher ist aber, dass die Entwicklungsländer, in denen die Kaffeesträucher gedeihen, nur unzureichend profitieren. Das liegt auch an ungerechten Marktmechanismen: Die reichen Länder führen ungerösteten Rohkaffee gewöhnlich zollfrei ein. Wollen die Anbauländer dagegen Röstkaffee exportieren, werden in der Regel 7,5 Prozent Zoll fällig. „Man kann diese Art der Wirtschaftspolitik Kaffeeprotektionismus nennen oder Kolonialismus“, urteilt „Der Spiegel“. Mit den Zöllen schützt Europa seine Röstindustrie und steigert die Wertschöpfung gewaltig: Gerösteter Kaffee erzielt meist mehr als den doppelten Preis von Rohkaffee.
Auch die Schweiz ist ein bedeutender Akteur auf diesem Markt. Das Land ist der fünftgrösste Importeur von Rohkaffee – und exportiert nach jüngsten Zahlen 70´000 Tonnen Röstkaffee wieder, etwa 40 Prozent der zunächst eingeführten Menge an Kaffeebohnen. „Dass die gesamten Ausfuhren von Kaffeeprodukten dreimal so viel wert waren wie die gesamten Einfuhren, zeigt, wie viel Mehrwert bei der Verarbeitung in der Schweiz geschaffen wurde“, staunt die NZZ.
„Wer mehr Gerechtigkeit für die armen Kaffeebauern will, muss dafür sorgen, dass sie mehr verdienen“, sagt Josefine Kamm, Geschäftsführerin von Menschen für Menschen, bei einer Monitoring-Reise vor Ort in Abaya, einem der ärmsten Landkreise Äthiopiens. Dort unterstützt das Schweizer Hilfswerk die Bauern auf einfache und effiziente Weise. Im Dorf Gangua hat die Stiftung eine einfache Lagerhalle kostengünstig mit einem Betonfundament aus Hohlblocksteinen errichtet, für umgerechnet 25´000 CHF.
„Schon nach kurzer Zeit übersteigt der Nutzen die aufgewendeten Kosten“, freut sich Josefine Kamm. Denn vor dem Bau der neuen Halle verfügte die Kooperative nur über eine Wellblechhütte als Lager. Die Kooperative konnte nur eine geringe Menge Kaffee einkaufen. Die Mitglieder mussten einen grossen Teil ihrer Ernte zu einem schlechteren Preis individuell an private Händler abgeben. Und in der Hitze der Blechhütte litt die Qualität des Kaffees, damit erzielte die Kooperative schlechtere Preise.
Dank des neuen Lagers kann die Kooperative jetzt von den Mitgliedern mehr Kaffee abnehmen und mit dem Wiederverkauf warten, bis die Preise auf dem Markt gut sind. Wurden vor dem Bau der Halle 231 Tonnen Kaffeekirschen eingekauft, sind es nun 606 Tonnen. Die Kooperative konnte ihre Erlöse von umgerechnet 140´000 CHF auf rund 400´000 CHF im Jahr steigern.
Die Kooperative von Gangua ist Fairtrade-zertifiziert. Das bedeutet, dass die Kooperative einen Bonus auf jedes Kilogramm verkauften Kaffees bekommen. Der Bonus für 2017 betrug rund 32´000 CHF. „Damit kauften wir einen geländegängigen Truck, um künftig die Kosten für den bislang gemieteten Lastwagen einzusparen“, erklärt Zeleke Tebech, der Vorsitzende der Kooperative. „Was für ein Wandel: Vor einigen Jahren waren wir praktisch bankrott. Dank Menschen für Menschen geht es nun aufwärts.“
Seit dem Projektstart 2016 traten 154 neue Mitglieder in die Kooperative ein. Denn die insgesamt 750 Mitglieder profitieren nicht nur von dem neuen Lagerhaus. Wer besonders arm ist, kann von Menschen für Menschen einen Kleinkredit erhalten. Landlose Familien können damit junge Ochsen erwerben und einen kleinen Mastbetrieb starten. Andere Bauern kaufen leistungsfähiges Saatgut und Mineraldünger, um ihre Erträge zu steigern.
Die Witwe Jilo Rufo, 65, liefert pro Ernte 50 bis 100 Kilogramm Kaffeekirschen an die Kooperative. Die Kaffeekirschen seien für sie die einzige Möglichkeit, an Geld zu kommen – für Kleidung, für Medizin, für Grundnahrungsmittel wie Speiseöl. „Bevor wir das Lagerhaus hatten, musste ich oft an private Händler verkaufen. Sie bezahlen etwa 20 Prozent weniger als die Kooperative“, sagt die Bäuerin. „Deshalb ist für mich die Kooperative und ein möglichst guter Kaffeepreis lebenswichtig.“
Über die Stiftung Menschen für Menschen
Menschen für Menschen setzt sich gegen Armut und Hunger ein. Die Stiftung wurde von dem Schauspieler Karlheinz Böhm (1928 – 2014) gegründet. Im Geiste des Gründers schafft das Schweizer Hilfswerk Lebensperspektiven für die ärmsten Familien in Äthiopien. Ziel der Arbeit ist es, dass sie in ihrer Heimat menschenwürdig leben können. Schwerpunkte der einzelnen Projekte sind Frauenförderung, Berufsbildung, Mikrokredite, Kinderhilfe, Familienplanung und landwirtschaftliche Entwicklung. Die Komponenten werden nach den lokalen Bedürfnissen kombiniert und mit sorgfältig ausgewählten einheimischen Partnern umgesetzt.
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